Walter Weidauer
W. war 1946 bis 1958 Oberbürgermeister von Dresden. Im Zentrum seiner Tätigkeit stand der Wiederaufbau unter Vorherrschaft der SED und die sozialistische Ausrichtung der Stadt. – W. besuchte die Volksschule in Lauter und lernte anschließend Zimmermann. 1918 wurde er zum Kriegsdienst einberufen. Von März 1919 bis 1928 arbeitete er, unterbrochen von Arbeitslosigkeit und Wanderschaft, als Zimmermann in Zwickau. Seit 1916 in der sozialistischen Arbeiterjugendbewegung, trat W. 1919 der USPD und der Gewerkschaft (Zentralverband der Zimmerer) bei. 1922 wechselte er zur KPD und wurde Mitglied der Unterbezirksleitung Zwickau sowie 1925 bis 1928 Mitglied der Bezirksleitung Erzgebirge/Vogtland. Ferner war er 1924 bis 1928 KPD-Stadtverordneter in Zwickau. Ab Juli 1928 übernahm er im KPD-Bezirk Ruhrgebiet hauptamtlich den Literaturvertrieb. Im folgenden Jahr wurde W. zum 1. Gewerkschaftsführer des Zentralverbands der Zimmerer in Essen/Ruhr gewählt, aber bereits nach drei Tagen wegen „kommunistischer Fraktionstätigkeit” wieder ausgeschlossen. Anschließend war er in der Revolutionären Gewerkschaftsopposition in Essen tätig. Im März 1932 übernahm er in Leipzig die Leitung des Proletarischen Freidenkerverbands für Sachsen, vier Monate später arbeitete er in Berlin als Erster Sekretär des Proletarischen Freidenkerverbands für Deutschland. Außerdem war W. ab Juli 1932 Reichstagsabgeordneter der KPD und wurde am 5.3.1933 wiedergewählt. – In der NS-Zeit wirkte W. für die KPD und kam deshalb mehrfach in Haft (Sonnenburg, Schwarzenberg und Dresden). Ende September 1935 emigrierte er in die Tschechoslowakei, im Dezember 1936 nach Dänemark. Dort arbeitete er unter dem Decknamen Karl Förster in der KPD-Abschnittsleitung Nord. Im April 1938 in Deutschland ausgebürgert, wurde er 1940 nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Dänemark interniert, Anfang 1941 polizeilich festgenommen und an Deutschland ausgeliefert. Am 3.6.1942 wurde W. vom Volksgerichtshof wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Inhaftiert war er in Brandenburg-Görden, Waldheim und Leipzig. Nach der Zerstörung Dresdens im Februar 1945 gehörte er einem Häftlingskommando an, das Aufräumungsarbeiten leistete. Mit dem Einmarsch der Roten Armee in Dresden am 7./8.5.1945 endete für W. die Haft. Er schloss sich dem Antifaschistischen Komitee in Dresden-Strehlen an. Ende Mai 1945 wurde er Leiter des Verwaltungsbezirks VII (Leuben), kurz darauf Stadtrat für Personalwesen und ab 5.7.1945 Erster Bürgermeister und Stellvertreter des Oberbürgermeisters. Gefördert von den führenden KPD-Funktionären in Sachsen Hermann Matern und Kurt Fischer hatte W. große Machtbefugnisse in der Stadtverwaltung. Als wichtigste Voraussetzung für den personellen Neuaufbau galt ihm eine „anständige politische Gesinnung“. Seinen politischen Gegnern unterstellte er reaktionäres Verhalten. Ihm selbst waren in seinem Machtstreben Intrigen und Denunziationen nicht fremd. Vom 26.10.1945 bis zum 1.2.1946, nach der Amtsenthebung von Johannes Müller bis zur Bestellung des neuen Oberbürgermeisters Gustav Leißner, war W. von der Landesverwaltung Sachsen mit der Amtsführung beauftragt. Im Ergebnis der Kommunalwahl vom 1.9.1946 wurde W., der nach der Vereinigung von KPD und SPD Mitglied der SED war, am 10.10.1946 in der Sitzung der Stadtverordneten zum Oberbürgermeister von Dresden gewählt, nachdem Leißner, ebenfalls SED, auf seine Kandidatur überraschend verzichtet hatte. Als Oberbürgermeister hatte W. zunächst noch Aufgaben aus seinem bisherigen Tätigkeitsfeld (Polizei, Personalamt und Amt für Wiederaufbau) zu erfüllen. Unter seinem Vorsitz arbeitete auch die im Oktober 1947 gebildete Entnazifizierungskommission des Stadtkreises Dresden. Überregional wirkte W. als Abgeordneter des Sächsischen Landtags, als Vorsitzender des Gemeindeausschusses sowie 1948/49 als Mitglied des Deutschen Volksrats und 1949 bis 1958 als Abgeordneter der (Provisorischen) Länderkammer. Er war Mitglied des SED-Kreis- und SED-Landesvorstands, des kommunalpolitischen Beirats des Zentralvorstands und des kommunalpolitischen Landesausschusses der SED. Außerdem gehörte er zahlreichen gesellschaftlichen Organisationen an. – W. propagierte neue Theorien in der Kommunalpolitik und geriet damit v.a. hinsichtlich der parlamentarischen Arbeit in Widerspruch zu Mitgliedern von CDU und LDPD. Nach der Gründung der DDR 1949 und der Auflösung der Länder im Juli 1952 verlor die Kommunalpolitik immer mehr an Bedeutung. Die bisherige Landeshauptstadt Dresden wurde Hauptstadt des neu gebildeten Bezirks Dresden. Die Arbeit des Rats der Stadt Dresden war inhaltlich und organisatorisch durch die der SED-Politik verpflichteten staatlichen Anweisungen geprägt. W. wurde 1950, 1953 und 1957 als Oberbürgermeister wiedergewählt und vom Zentralkomitee der SED bestätigt, auch war er Mitglied der SED-Bezirksleitung und Mitglied des Büros bzw. des Sekretariats der SED-Stadtleitung. Dadurch wirkte er an den Beschlüssen der SED mit und war zugleich verantwortlich für deren Umsetzung auf kommunaler Ebene. Bei der Zielvorgabe „Dresden - eine werdende sozialistische Stadt” sah W. Dresden v.a. als ein Zentrum der Arbeiterklasse und der Industrie, erst dann als eine Stadt der Wissenschaft, Kunst und Kultur. Sein Verhältnis zur Gruppe der Intelligenz galt als kompliziert. Auf die vielfältigen Probleme in der Stadt reagierte W. vorrangig ideologisch-agitatorisch. – Ein Schwerpunkt in den ersten Amtsjahren von W. war die Trümmerberäumung und der Wiederaufbau der Stadt. Bereits am 5.1.1946 hatte W. in seinem Referat „1946, das erste Jahr des großen Dresdner Aufbauplanes” den politischen Rahmen vorgegeben. In der Folgezeit setzte er sich in der Frage „Wiederaufbau“ oder „Neuaufbau“ für letzteren ein und sorgte in diesem Sinn für die Umsetzung zentraler Richtlinien. Einwänden von Architekten und Denkmalpflegern gab er keine Chance. Einen langwierigen und bis zum Äußersten gehenden Streit führte er mit dem Kunstwissenschaftler und Denkmalpfleger Fritz Löffler. W. war trotz seiner Zurückhaltung gegenüber der Ausrichtung von Dresden als Kunst- und Kulturstadt Vorsitzender des Kuratoriums, das die Übernahme von Kunstschätzen der Dresdner Gemäldegalerie aus der UdSSR vorbereitete. Dazu reiste er im August 1955 als Mitglied der Regierungsdelegation nach Moskau. Internationale Kontakte pflegte W. im Auftrag der SED bei Auslandsreisen; als Vertreter des „neuen Deutschlands” weilte er auch in der Bundesrepublik Deutschland. Er war Vorsitzender des 1955 gegründeten Deutschen Städtetags und nach der Umbildung 1957 in Deutscher Städte- und Gemeindetag dessen stellvertretender Vorsitzender. Am 3.12.1958 schied W. mit Zustimmung der Stadtverordneten aus dem Amt als Oberbürgermeister, denn schon am 29.11.1958 war er in der konstituierenden Sitzung des Bezirkstags zum Vorsitzenden des Rats des Bezirkes Dresden als Nachfolger von Rudolf Jahn gewählt worden. Bereits am 21.1.1961 wurde W. von diesem Amt auf eigenen Antrag wegen schwerer Krankheit entbunden. Doch blieb er noch in vielen Funktionen tätig, z.B. als Abgeordneter des Bezirkstags (bis 1967), Mitglied der SED-Bezirksleitung Dresden, der Stadtverordnetenversammlung und der Leitung des Bezirkskomitees der Antifaschistischen Widerstandskämpfer. – Darüber hinaus beschäftigte sich W. mit der Geschichte der Stadt Dresden und widmete sich dabei besonders den Hintergründen der Zerstörung Dresdens 1945. Dabei wähnte er sich berufen zur ideologischen Auseinandersetzung mit „der verderblichen Rolle des deutschen Imperialismus“ und machte seiner Auffassung nach „die Geschichtswissenschaft zur scharfen Waffe”. – An Auszeichnungen erhielt W. u.a. den Ehrentitel Held der Arbeit (1959), den Karl-Marx-Orden (1969), die Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden in Gold (1974) und den Großen Stern der Völkerfreundschaft (1979). Er war Ehrenbürger von Dresden (1969), Ehrensenator der Medizinischen Akademie Carl Gustav Carus (1964) und Martin-Andersen-Nexö-Kunstpreisträger (1969). Ab 1989 benannte man den Rathausplatz in Dresden zum Walter-Weidauer-Platz um, was jedoch zum 1.10.1990 wieder rückgängig gemacht wurde.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, SED-Bezirksleitung Dresden, Nachlass W., verstorbener Nomenklaturkader W., Bezirkstag/Rat des Bezirks Dresden, Landesregierung Sachsen, Ministerium des Innern; Stadtarchiv Dresden, Stadtverordnetenversammlung und Rat der Stadt 1945-1952 und 1953-1990, Kreisarchiv Erzgebirgskreis, Auskunft 2010.
Werke 1946, das erste Jahr des großen Dresdner Aufbauplanes, Dresden 1946; Die neue Gemeindeordnung und die Aufgaben unserer Gemeindevertreter in den Gemeindeparlamenten, Dresden [1946]; Liebe Mutter Preußler, Dresden 1946; Neue Wege der Kommunalpolitik, Dresden 1948; Elf Jahre demokratischer Aufbau, in: Festschrift Dresden, Dresden 1956; Inferno Dresden, Berlin 1965, 81990.
Literatur Nachrufe des Zentralkomitees der SED und der Bezirksleitung Dresden der SED, in: Sächsische Zeitung 15./16.3.1986, S. 2; H.-P. Lühr, Der Widerstand des Einzelnen - Fritz Löffler contra Walter W., in: Dresdner Hefte ²28/1995, S. 33-48; M. Schmeitzner, Schulen der Diktatur, Dresden 2001, S. 21, 152; C. Hermann, Oberbürgermeister der Stadt Dresden Walter W., in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Bd. 9, Altenburg 2003, S. 217-240 (P); T. Widera, Dresden 1945-1948, Göttingen 2004; C. Hermann, Ehrenbürger der Stadt Dresden, in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Bd. 11, Altenburg 2005, S. 274. – DBA II, III; DBE 10, S. 381; Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Bd. 1, München 1980, S. 565; J. Černý (Hg.), Wer war wer - DDR: ein biographisches Lexikon, Berlin 1992, S. 475; M. Schumacher (Hg.), M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus, Düsseldorf ²1992, S. 615f.; G. Baumgartner/D. Hebig (Hg.), Biographisches Handbuch der SBZ/DDR 1945-1990, Bd. 2, München 1997, S. 985; H. Müller-Enbergs/J. Wielgohs/D. Hoffmann (Hg.), Wer war wer in der DDR, Berlin 2000, S. 897; A. Herbst/H. Weber, Deutsche Kommunisten, Berlin ²2008, S. 1003f.
Porträt Oberbürgermeister Walter W., E. Höhne/E. Pohl, 1954, Fotografie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle); E. Schulze-Knabe, Gemälde (Ausschnitt), 1970, Städtische Galerie Dresden.
Christel Hermann
9.5.2011
Empfohlene Zitierweise:
Christel Hermann, Artikel: Walter Weidauer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/4081 [Zugriff 27.12.2024].
Walter Weidauer
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, SED-Bezirksleitung Dresden, Nachlass W., verstorbener Nomenklaturkader W., Bezirkstag/Rat des Bezirks Dresden, Landesregierung Sachsen, Ministerium des Innern; Stadtarchiv Dresden, Stadtverordnetenversammlung und Rat der Stadt 1945-1952 und 1953-1990, Kreisarchiv Erzgebirgskreis, Auskunft 2010.
Werke 1946, das erste Jahr des großen Dresdner Aufbauplanes, Dresden 1946; Die neue Gemeindeordnung und die Aufgaben unserer Gemeindevertreter in den Gemeindeparlamenten, Dresden [1946]; Liebe Mutter Preußler, Dresden 1946; Neue Wege der Kommunalpolitik, Dresden 1948; Elf Jahre demokratischer Aufbau, in: Festschrift Dresden, Dresden 1956; Inferno Dresden, Berlin 1965, 81990.
Literatur Nachrufe des Zentralkomitees der SED und der Bezirksleitung Dresden der SED, in: Sächsische Zeitung 15./16.3.1986, S. 2; H.-P. Lühr, Der Widerstand des Einzelnen - Fritz Löffler contra Walter W., in: Dresdner Hefte ²28/1995, S. 33-48; M. Schmeitzner, Schulen der Diktatur, Dresden 2001, S. 21, 152; C. Hermann, Oberbürgermeister der Stadt Dresden Walter W., in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Bd. 9, Altenburg 2003, S. 217-240 (P); T. Widera, Dresden 1945-1948, Göttingen 2004; C. Hermann, Ehrenbürger der Stadt Dresden, in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Bd. 11, Altenburg 2005, S. 274. – DBA II, III; DBE 10, S. 381; Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Bd. 1, München 1980, S. 565; J. Černý (Hg.), Wer war wer - DDR: ein biographisches Lexikon, Berlin 1992, S. 475; M. Schumacher (Hg.), M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus, Düsseldorf ²1992, S. 615f.; G. Baumgartner/D. Hebig (Hg.), Biographisches Handbuch der SBZ/DDR 1945-1990, Bd. 2, München 1997, S. 985; H. Müller-Enbergs/J. Wielgohs/D. Hoffmann (Hg.), Wer war wer in der DDR, Berlin 2000, S. 897; A. Herbst/H. Weber, Deutsche Kommunisten, Berlin ²2008, S. 1003f.
Porträt Oberbürgermeister Walter W., E. Höhne/E. Pohl, 1954, Fotografie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle); E. Schulze-Knabe, Gemälde (Ausschnitt), 1970, Städtische Galerie Dresden.
Christel Hermann
9.5.2011
Empfohlene Zitierweise:
Christel Hermann, Artikel: Walter Weidauer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/4081 [Zugriff 27.12.2024].